Newsletter-Sonderedition Teil 1: „A Link to Jenny‘s Past“

Newsletter-Sonderedition Teil 1: „A Link to Jenny‘s Past“
Ein LEGO-Link steht auf einem Notizbuch, das einen Regenbogen mit glitzernder weißer Wolke zeigt. Im Hintergrund sind ein Desktop-Bild von Link aus "Twilight Princess" und ein Überraschungsei-Spielzeug zu erkennen. Alles steht auf einem hölzernen Schreibtisch.

„Fantasy? Das ist doch nur für Nerds. Und unrealistisch.“

Und damit herzlich Willkommen zu einem Thema, über das ich hier schon eine Weile schreiben wollte! Ähnlich wie beim ersten Satz oben haben sich mir gegenüber schon mehrfach Personen geäußert, wenn ich ihnen erzählt habe, dass Fantasy als Autorin mein Hauptgenre ist. „Unrealistisch“ ist streng genommen jedes fiktionale Werk, also alle Bücher außer Autobiographien und Sachtexten.

Ich wüsste nicht, wieso Drachen unrealistischer sein sollen als perfekte Frauen mit perfekten Gesichtern und perfekten Körpern, die zufällig immer genau so reagieren, wie es sich manche Autor*innen im Patriachat immer noch oft vorstellen. Oder ein Krimi-Plot, bei dem kurz hintereinander Menschen auf möglichst brutale Weise sterben und immer derselbe Detektiv mit Alkoholproblemen und scheiternder Ehe Überstunden schiebt.

Unter diesem Licht wirkt Fantasy gar nicht mehr so absurd, oder? Fragt man andere Fantasy-Autor*innen, wie sie auf ihr Genre gekommen sind, so zitieren viele – wenig überraschend – andere Bücher. „Harry Potter“ wird dabei genauso oft genannt wie „Der Herr der Ringe“, manchmal auch die „Tintenwelt“-Trilogie oder andere.

Obwohl Buch-Fantasy in zahlreiche Untergenres gegliedert werden kann (High Fantasy, Low Fantasy, Urban Fantasy, um nur mal drei zu nennen – die o.g. Bücher fallen vorrangig in das erste Genre) und obwohl ich ab der ersten Klasse in der Schule liebend gern Bücher verschlungen habe, war kein Buch der Auslöser für meine Liebe zu Fantasy, sondern ein Spiel.

Eine Hand hält ein Buch im DIN A5-Format. Es ist eine Fanfiction des Videospiels "The Legend of Zelda". Der Titel lautet "Licht im Dunkel. Fanfiction". Im Hintergrund ist ein Park im Sommer zu erkennen.

Jetzt stöhnt ihr wahrscheinlich – och nee, schon wieder so Nerdkram! – aber bleibt doch noch ein bisschen. Denn das Spiel, um das es geht, hat mehr mit mir als Autorin zu tun, als ihr denkt, und als ich zuerst selbst dachte. Welches meine ich? Nun, es beinhaltet einen Jungen oder männlichen Teenager (je nachdem, welches Spiel genau gemeint ist), spielt in einer detaillierten Welt und beinhaltet eine Mischung aus Rätseln, Dialogen und Schwertkampf.

Manchmal assistiert dem Protagonisten ein weibliches Wesen, manchmal nicht. Der Junge/männliche Teenager hat blaue Augen, dunkelblondes Haar, das meist unter seiner grünen Zipfelmütze hervorlugt, spitze Ohren und trägt eine meist grüne Tunika. Ergänzt wird sein Äußeres um ein mächtiges, magisches Schwert und einen Schild, auf dem das Wappen der Königsfamilie eingraviert ist, für die er kämpft.

Na, habt ihr es erraten? Es geht um Link, den Helden der „The Legend of Zelda“-Reihe. Diese gehört zu einer der erfolgreichsten Games-Reihen von Nintendo. Fun Fact: Bis heute denken manche, bei dem Helden mit dem Masterschwert und dem hylianischen Wappen handele es sich um die titelgebende Zelda. Die ist aber Prinzessin und selbst wenn sie ein Schwert schwingt, ist sie bisher nie die Protagonistin der Spiele gewesen.

Diese gehört zu einer der erfolgreichsten Games-Reihen von Nintendo. Fun Fact: Bis heute denken manche, bei dem Helden mit dem Masterschwert und dem hylianischen Wappen handele es sich um die titelgebende Zelda. Die ist aber Prinzessin und selbst wenn sie ein Schwert schwingt, ist sie bisher nie die Protagonistin der Spiele gewesen.

Link – dieser Name hat mich sofort fasziniert, als ich im Alter von 14 Jahren anfing, „Ocarina of Time“ zu spielen. Das Spiel erschien im Jahr 1998 und war das erste Zelda-Game, das man in 3D spielen konnte. Ursprünglich waren diese Spiele in 2D auf dem Gameboy erschienen – ich rede hier nicht von diesen Dingern aus den 90ern, die fast jedes Kind hatte, sondern von dem Urding, das es schon Ende der 80er gab.

Ich nähere mich in ein paar Jahren bedrohlich der Zahl 40, was mein Alter angeht, doch das älteste Zelda-Game ist ein Jahr älter als ich. In diesen knapp 40 Jahren hat sich das Spiel von der winzigen 2D-Optik, wo Link aus gefühlt 4 Pixeln bestand und man sein Äußeres mehr erraten als bestaunen konnte, über die etwas verpixelte 3D-Grafik in „Ocarina of Time“ bis hin zu „Breath of the Wild“ und „Tears of the Kingdom“ entwickelt, die fast fotorealistische Hintergründe mit Charakteren im Anime-Stil kombinieren.

„Ocarina of Time“ war für damalige Verhältnisse ein Quantensprung in der Zelda-Games-Technologie. Plötzlich hopste Link nicht mehr in Vogelperspektive über mehr oder minder vorgegebene Wege, sondern konnte mit seiner Stute Epona durch die Hylianische Steppe reiten, in Death Mountain schwindelerregende Höhen erklettern, zwischen den Hecken des Schlosses von Hyrule geschickt an den Soldaten vorbei zu Prinzessin Zelda schleichen und ein erfrischendes Bad bei den Zoras nehmen, die ihm netterweise eine Tunika mit Unterwasser-Atemmöglichkeit sponserten.

Wenn ihr denkt, das sei schon toll, dann haltet euch gut an eurer Kaffeetasse, eurer Stuhlkante oder der Person neben euch fest, denn wir haben erst die Spitze des Eisbergs freigelegt. Nerdkram? Viel mehr: Spannend für jede Person, die gern in erdachte Welten abtaucht! Was mich bereits als 14-jährige an „Ocarina of Time“ gefesselt hat, waren drei Dinge:

🤩
- Die liebevoll-schrulligen Charaktere, denen man in großer Zahl begegnet
- Die detaillierte, gut ausgewogene Welt mit Vulkan-Berg, Wasserparadies, einer großen Steppe, einem niedlichen Reiterhof inklusive singendem Hofmädchen (ja, von dort stammt Links Pferd Epona!), einer sengend heißen Wüste und einer verschneiten Berglandschaft und schließlich einem beeindruckenden Schloss
- Die ausbalancierte Mischung aus Reden, Rätseln und Kämpfen (man kommt nicht immer durch Draufhauen weiter, manchmal ist Reden oder Denken angesagt)

Nun fragt ihr euch vielleicht „Ja, aber Link ist doch männlich – fandest du das als Mädchen nicht seltsam, ihn zu spielen?“ Fand ich nicht. Warum? Weil Link in allen Zelda-Games als androgyne Figur angelegt ist. Klar, als kleiner Junge ist er außer durch eine etwas tiefere Stimme und andere Kleidung kaum von Mädchen zu unterscheiden.

Aber auch als Teenager ist Link alles andere als ein Muskelprotz: Er ist relativ klein, hat zwar einen athletischen, aber schmalen Körperbau und sein Pony, der unter der Zipfelmütze hervorlugt, sowie seine kaum eingesetzte Stimme machen ihn eindeutig zu einem Charakter, mit dem sich alle Geschlechter identifizieren können (looking at you, Männer, die wie am Fließband reden, während Frauen ihnen zuhören sollen). Link muss sich regelmäßig sogar mit Zaubertränken oder Magie behelfen, um seine zahlreichen Kämpfe überhaupt zu überleben.

Er gleicht also fehlende Muskelmasse durch Um-die-Ecke-Denken, genaues Beobachten und gute Vorbereitung aus. Und das sind Eigenschaften, mit denen ich mich nicht nur als Gamerin, sondern auch als Autorin von Fantasy-Texten gut identifizieren kann. In meinem ersten Anlauf im Jahr 2001 kam ich bei „Ocarina of Time“ ab einem gewissen Tempel nicht mehr weiter, weil ich damals keine Lösung hatte (das Internet steckte damals noch in den Kinderschuhen).

Die Faszination ist trotzdem nie ganz verschwunden und so war ich Feuer und Flamme, als ich in 2006 – dem Jahr, in dem ich Abitur machte – von einem neuen Zelda-Game erfuhr, das mit düsterem und wesentlich realistischerem Look daherkam: Twilight Princess. Im Gegensatz zu „Ocarina of Time“, das noch für die Spielekonsole N64 konzipiert wurde, war „Twilight Princess“ für Gamecube, dann die Wii konzipiert (der Gamecube war ein Reinfall, daher brachte Nintendo das Zelda-Spiel erneut für das nächste heiße Eisen heraus – ein Beweis dafür, wie sehr Nintendo an seine Zelda-Spiele glaubt).

Das Foto zeigt auf Laminat-Fußboden die Nintendo-Spielekonsole Wii: Links das Nunchuk, dazwischen ein Verbindungskabel und rechts die Wiimote mit Handgelenksschlaufe. Dazwischen liegen die Wii-Konsole und das "The Legend of Zelda"-Spiel "Twilight Princess."

Abitur-Jenny träumte also von einer Gamecube- oder Wii-Konsole inklusive Spiel. Leider sah die Realität mehr so aus: Arbeiterkind, kaum Geld, keine Ahnung, was nach der Schule kommen sollte. Die Konsole kaufte ich nie und konnte das Spiel lange nicht spielen, bis ich die Gelegenheit erhielt, es in einer – ja, ich gebe es zu – raubkopierten Version bei einer Person zu spielen, die im Gegensatz zu mir einen Desktop-PC hatte.

Dadurch hatte ich die Gelegenheit, zumindest in 2/3 der Spieledauer eintauchen zu können. Leider verabschiedete sich die Person aus meinem Leben, ehe ich fertig spielen konnte und so stand ich erneut ohne Konsole und durchgespieltes „Twilight Princess“ da. Ich weiß nicht, was mich trauriger gemacht hat – dass die Person weg war oder das Spiel, denn es hatte mir bis dorthin außerordentlich gut gefallen.

Ich würde euch aber nicht damit zutexten, wenn es nicht doch ein Happy End im Projekt „Jenny spielt nach dem Abitur endlich ‚Twilight Princess‘“ gäbe. In meinem Autor*innen-Freundeskreis ist eine Freundin, deren Mann leidenschaftlicher Gamer ist. Er spielt zwar mehr Warhammer 40k als Zelda, aber Game ist Game und Nerd ist Nerd.

Bei einer Party der beiden fragte ich in die Runde, ob jemand zufällig einen Gamecube oder eine Wii sowie „Twilight Princess“ bei sich zu Hause herumliegen habe. Ihr müsst euch vorstellen: Das Spiel war zu diesem Zeitpunkt – wir schreiben das Jahr 2024 – ganze 18 Jahre alt. Menschen wurden geboren und erwachsen, während ich mich nach einem Spiel sehnte, von dem ich nie so genau wusste, warum – nur dass ich es spielen MUSSTE, wusste ich.

In der Runde meldete sich tatsächlich jemand, der sowohl eine Wii als auch das gewünschte Spiel hatte. Ihr könnt euch hier den Emoji mit den Sternenaugen als meine Reaktion vorstellen. Ein paar Tage später holte ich es bei ihm zu Hause ab und er zeigte mir, wie man das Spiel startet und wie die Bedienung der Wii funktioniert, denn sie unterscheidet sich etwas von anderen Joysticks oder Handheld-Konsolen.

Ich weiß noch, wie ich mit der Wii und der „Prinzessin des Zwielichts“ im Gepäck nach Hause fuhr und mir dachte, irgendwer müsse mich einmal zwicken. Wie ich zu Hause dann feststellte, dass man für die Bildausgabe nicht einen Computermonitor, sondern einen Fernseher benötigte. Den ich natürlich nicht hatte. Aber eine Freundin hatte zufällig ein altes Modell. Und nach etwas Herumprobieren bekam ich tatsächlich Bild und Ton zum Spiel. Ich konnte mich noch dunkel an die ersten 2/3 des Spiels erinnern, turnte in Form von Link fröhlich in Hyrule herum und machte jeden Sidequest, den man nur machen kann.

Irgendwann kam ich zu der Stelle, an der ich beim ersten Versuch aufhören musste. Und direkt danach kam der allerbeste Teil des Spiels. Während man in „Ocarina of Time“ einmal Link als Jungen und einmal als Teenager spielt, wechselt man in „Twilight Princess“ zwischen Mensch-Link und Wolf-Link. Manche Orte, wie den „Sacred Grove“, betritt man erst in Wolfs- und dann in Menschenform. Am Ende dieser Spielesequenz betritt Link als Mensch durch eine Tür ins Nichts den „Temple of Time“.

Das Foto zeigt eine Spielszene aus "Twilight Princess". Aus Vogelperspektive ist das Stockwerk darunter erkennbar, das von Marmorböden, Heiligenreliefs an den Wänden, vergitterten Kirchenfenstern, dunkelgrauen Säulen und goldenen, verzierten Seitengittern geprägt ist. Links oben sind die Spieler-Herzen erkennbar, rechts unten ein Steuerkreuz und in der Mitte der "c"-Button mit der Instruktion "back" auf Englisch.

Nachdem man durch eine schlicht gehaltene Kathedrale läuft, gelangt man über eine Regenbogentreppe, die erst beim Laufen erscheint, in den eigentlichen Tempel. Keine dieser heiligen Stätten in dem Spiel erinnern dabei so stark an Architektur aus der Menschenwelt. Beim „Temple of Time“ gibt es starke Anleihen an die Architektur römischer Kirchen – hier und da sicher auch aus dem Vatikan. Nicht mehr so unrealistisch, oder?

Das Schwierige an Adventure-Games wie „Twilight Princess“: Man steuert eine Figur durch eine mehr oder minder „offene Welt“, aber dennoch muss die Figur in einem gewissen Rahmen dem roten Faden folgen können. Beim „Temple of Time“ ist man schon recht weit im Spiel und hat einiges an Erfahrung – dass der Tempel trotzdem an keiner Stelle langweilig wird, ist der narrativen Meisterleistung der Spielemacher zu verdanken.

Übrigens, wer in mein aktuelles Buch (Low Fantasy mit zentraler Liebesgeschichte in einem alternativen Frankreich des 18. Jh.s) hineinschmökern oder mit mir über Bücher und Fantasy quatschen möchte:

Es ist wie bei High Fantasy-Romanen: Beschreibst du die Welt und die Bevölkerung zu stark, ist es Info-Dump und langweilt/überfordert die Lesenden. Beschreibst du zu wenig, bleiben die Charaktere blass oder das Worldbuilding wirkt nicht zu Ende gedacht. Den Mittelweg zu finden ist oft gar nicht so einfach, weshalb gute Fantasy-Bücher alles haben, das Belletristik, Romance oder Thriller/Krimi auch hat – nur eben noch mit einigem obendrauf.

Zurück zu „Twilight Princess“: Nicht nur setzt Link in dem „Temple of Time“ fast all seine Waffen ein, die er aus früheren Kämpfen erworbenen hat. Er muss auch mit den bisher schwersten Feinden klarkommen (wie Ritter in schwerer Rüstung und mit ausgefeilten Kampftechniken) und eine zentnerschwere Figur acht Stockwerke nach unten transportieren. Nach dem „Temple of Time“ wartet das Finale in Schloss Hyrule nochmals mit allem Drama auf, das man sich vorstellen kann.

Drama ist auch das Stichwort für Teil 2: Im nächsten Teil der Newsletter-Sonderedition erfahrt ihr, wieso mich die Zelda-Games als Autorin geprägt haben. Na, seid ihr schon neugierig? Erweckt den inneren Nerd in euch und freut euch auf Teil 2. Übrigens ist der Titel dieses Newsletters eine Anspielung auf „A Link to the Past“, ein älteres Zelda-Game. Der nächste Newsletter wird dann „A Link to Jenny’s Fantasy Stories“!

Wenn ihr niedrigschwellig etwas von der Atmosphäre aus „Twilight Princess“ mitbekommen wollt, empfehle ich euch, in die „Twilight Princess Symphony“ auf YouTube hineinzuhören. Eine Zusammenstellung und ein Weiterdenken vieler beliebter Tracks, das nicht etwa ein Nerd am Computer zu Hause erstellt hat – nein, hier spielen echte Menschen echte Instrumente und es gibt sogar einen kleinen Chor mit professionellen Sänger*innen. Viel Spaß beim Eintauchen und bis zu "A Link to Jenny's Fantasy-Stories"!


Ihr habt die bisherigen Folgen verpasst? Hüpft doch auf meine Website (https://www.jenniferpfalzgraf.de/) und lest es nach. Viel Spaß dabei!